„Unschooling“ eine Reportage von telebasel
Mobbing, Leistungsdruck, Stress – viele Eltern möchten ihre Kinder nicht mehr in die regulären Schulen schicken. Die Alternative heisst «Unschooling».
Klar, dass es wieder ein Anglizismus sein muss, der das Phänomen beschreibt: «Unschooling». Während das englische Etikett den oft umständlichen und ausschweifenden deutschen Begriff in der Regel kurz und knapp auf den Punkt bringt, ist es bei Unschooling für einmal umgekehrt. Denn «Freilernen» trifft den Nagel ausnahmsweise genauer auf den Kopf: Eltern, die ihre Kinder aus Überzeugung nicht in die Schule schicken, entscheiden sich weniger gegen die Schule als für das freie Lernen – das Freilernen eben.
Lernen ohne Leistungsdruck
Freilerner sind nämlich der Meinung, dass es keinen Lehrplan braucht, der einem Kind den Lernweg vorgibt. Ein Kind, das finde seinen Weg schon auch selbst.
Wenn man es denn lässt: «Die Schule bietet ein Programm, das eigentlich keinem Kind gerecht wird, gerade weil es eben allen Kindern gerecht werden will», sagt etwa Yolande Studinger aus Basel. Deshalb sind ihre drei Kinder ohne Schule aufgewachsen.
Liesse man der natürlichen Neugier eines jeden Kindes mehr Raum und vertraute auf dessen Entdeckungslust, ergäben sich dadurch nachhaltigere Lernerfolge, als wenn einem der Stoff von aussen auferlegt würde.
Davon ist Freilernerin Martina Miedaner überzeugt: «Macht es wirklich Sinn, etwas einfach auswendig zu lernen, das einem zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht interessiert?», fragt sie rhetorisch, denn die Antwort hat sie für sich längst gefunden. «Nur wenn man etwas aus eigenem Interesse lernt, also sich für eine Sache von innen heraus begeistert, wird es überhaupt im Langzeitgedächtnis abgespeichert», sagt Miedaner.
In Basel ist Unschooling verboten
So überzeugt die beiden Basler Freilerner-Familien von ihrem Weg auch sind, gibt es dennoch ein Problem: Freilernen ist in Basel verboten. In absoluten Ausnahmefällen können Eltern zwar beantragen, ihr Kind für eine begrenzte Zeit zu Hause unterrichten zu lassen. Das sogenannte Homeschooling-Modell wird aber praktisch kaum, wie das Erziehungsdepartement Basel auf Anfrage bestätigt (siehe Video).
Ein Kind aber gänzlich vom Schulunterricht auszuschliessen, ist nicht möglich. «Es ist schade, dass man den Eltern vorschreibt, wie ihre Kinder lernen müssen», sagt Martina Miedaner. So sei man praktisch gezwungen worden, die Stadt zu verlassen. Im Gegensatz zur Schweiz ist Freilernen in Frankreich nämlich erlaubt. Miedaners sind deshalb vor rund fünf Jahren nach Biederthal ins Elsass ausgewandert.
4’000 Franken Busse
So weit wollte die Familie Studinger nicht gehen. Ihr Recht aufs Freilernen haben sie bis vor Bundesgericht verteidigt – jedoch vergeblich. Seither ist ihr Vorgehen offiziell illegal. Für Studingers heisst das: 1’000 Franken Busse pro Jahr, pro Kind und pro Elternteil. Insgesamt kostet sie ihr Ideal also 4’000 Franken pro Jahr. «Das Wohl unserer Kinder ist wichtiger als Geld», sagt Yolande Studinger.
Die Vorbehalte gegenüber Freilernern sind gross: Was, wenn Kinder gar nicht schreiben lernen möchten? Was, wenn die zarten Pflänzchen im ruppige Berufsalltag später niedertrampelt werden?
Der Telebasel Report sucht Antworten und gibt Einblick in den Alltag zweier Unschooling-Familien aus Basel.
Lesen Sie den Bericht mit Videobeitrag auf der telebasel-Website: Link
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