Mehr Schweden wagen
In Schweden haben Eltern die freie Wahl, ob sie ihr Kind auf eine staatliche oder private Schule schicken. Der Staat zahlt beides über Bildungsgutscheine. Der Wettbewerb tut dem Schulsystem gut. An Hand vom Schulmodell in Schweden erläutert Alexander Schläfer die Vorteile der freien Schulwahl für die „Frankfurter Allgemeine“.
„Dem Lernen Flügel verleihen“
So lautet das Motto des deutschen Schulpreises, einem Wettbewerb zwischen allgemeinbildenden Schulen. Die Evangelische Schule Neuruppin in Brandenburg, Gewinnerin des Hauptpreises im vergangenen Jahr, wurde für einige Ideen ausgezeichnet, wie Schule beflügeln kann: Musikunterricht in Kleingruppen, gemeinsame Gebete oder ein eigenes Schülerradio bietet sie an. Im deutschen Bildungssystem gibt es zwar viele Wettbewerbe, aber kaum Wettbewerb: In Schweden, das in vielen anderen Belangen stets gern zum Vorbild erhoben wird, ist das ganz anders. Da wurde mittels Bildungsgutscheinen – eine uralte, liberale Idee des Ökonomen Milton Friedman – Eltern eine größere Wahlfreiheit zwischen staatlichen oder privaten Schulen ermöglicht.
Die Erfahrungen sind gut, aber in Deutschland (Anm.: und in der Schweiz) nimmt man das trotzdem kaum zur Kenntnis. Das Experiment begann schon vor mehr als 20 Jahren, als Carl Bildt Premierminister Schwedens wurde. Das skandinavische Land war vorher mehr als 50 Jahre lang von Sozialdemokraten regiert worden. Schwedens Volkswirtschaft stecke in der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Teil der Antwort war eine Bildungsreform. Sie stellte die bisherige Schulfinanzierung auf den Kopf. Nicht mehr Beamte in Stockholm entschieden fortan, an welche Schule Eltern ihre Kinder schicken. Nicht mehr Bildungspolitiker sollten bestimmen, was die beste Unterrichtsform sei. Der Elternwille sollte an die Stelle politischer Maßgaben treten, mit einem Wettbewerb privater und öffentlicher Schulen als Folge.
In Schweden werden seit der Bildt’schen Reform die Gutscheine von den Kommunen ausgestellt. Die nationale Regierung gibt grobe Rahmenrichtlinien vor, die Eltern und Schüler können jedoch die Schule in ihrer Gemeinde frei wählen. Die Höhe des Gutscheines, umgerechnet etwa 10 000 Euro pro Jahr, entspricht den durchschnittlichen Kosten des Schulbesuchs. Die Gutscheine haben einen ökonomischen Anreiz zur Gründung privater Schulen geschaffen. Nach Angaben der schwedischen Bildungsagentur Skolverket ging im Jahr 2009 etwa jeder fünfte Schüler auf eine Schule in freier Trägerschaft. In Deutschland sind das laut dem Verband deutscher Privatschulverbände rund ein Zwölftel der Schüler.
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Schwedens Gutscheinmodell scheint auf Deutschland nicht übertragbar zu sein. Keine Partei hat das Modell auf der Agenda. „Das deutsche Schulsystem ist im höchsten Maße intransparent“, meint dabei Figlio aus amerikanischer Perspektive. Wichtige Informationen würden den Eltern vorenthalten, denn Evaluierungen des Unterrichts, Noten der Abiturprüfungen werden nicht veröffentlicht. Die Konsequenz: Eltern haben kaum eine objektive Entscheidungsgrundlage bei der Schulwahl. Das wäre aber eine Voraussetzung für Wettbewerb.
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Private Schulen treten auch in Deutschland zunehmend auf den Plan, allerdings nicht auf Augenhöhe. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln werden nur 50 bis 60 Prozent der Kosten eines privaten Schulplatzes von öffentlichen Geldern gedeckt. Der Rest muss über Schulgeld und Spenden finanziert werden, oder die Schulen müssen besser wirtschaften. Die Lehrer vedienen oft weniger. Überhaupt ist es für die Privatschulen im bestehenden System viel schwieriger, am Arbeitsmarkt gute Lehrer zu finden. „Der Beamtenstatus verzerrt den Wettbewerb aufgrund der De-facto-Unkündbarkeit und der Pensionsansprüche“, sagt Ludger Wößmann vom Ifo-Institut. Das schwedische Unternehmen Kunskapsskolan hat sich auch deswegen in Deutschland noch nicht betätigt. Es exportiert mittlerweile sein Unterrichtsmodell in die Vereinigten Staaten, nach England und neuerdings auch Indien. In der Nähe von Delhi wurde in diesem Jahr eine erste Schule gegründet.
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