Eine Schule ohne Noten
Remo Largo über die Vorteile einer Schule ohne Noten. Ein Bericht für die „Zürichsee Zeitung“ von Elvira Jäger, 10. September 2013.
Nach dem Grosserfolg vor anderthalb Jahren organisierten Remo Largo, Regula Späni und Johannes Schläpfer ein zweites Podium zu Schulfragen. Dieses Mal war der Saal im “Kreuz” gross genug für alle.
Remo Largo will eine Schule ohne Note
Eltern und Lehrer haben Sitzleder, so viel ist seit dem Dienstagabend gewiss. Auch nach fast drei Stunden zeigten die vielen Frauen und vereinzelten Männer keinerlei Ermüdungserscheinungen. Das Thema Schule weckt Interesse und Emotionen, wenn auch der Ansturm nicht mehr ganz so gross war wie bei der ersten Veranstaltung. Und Remo Largo, Kinderarzt und Autor mehrerer „Elternbibeln“, erwies sich einmal mehr als wahrer Publikumsmagnet. Mit einem anregenden, lebhatl vorgetragenen Einleitungsreferat und mit einigen provokativen Aussagen auf dem Podium wurde er den Erwartungen vollauf gerecht.
Als Zäsur in der Bildungsforschung bezeichnete Largo die Studie des Neuseeländers John Hattie zum Thema Lernerfolg. Hattie wies nach, dass die Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler für den Lernerfolg die weitaus wichtigste Rolle spielt. „Je besser die Beziehungen im Beziehungsnetz Schule sind, desto grösser ist der Lernerfolg„, fasste Largo die Ergebnisse zusammen. Und das habe nichts mit der vielgescholtenen „Kuschelpädagogik“ zu tun.
Gutscheine für freie Wahl
Eine Schule, die vom Kind ausgeht, anerkennt, dass bereits Siebenjährige vor allem eines sind: total verschieden. Dem werde eine Schule, die Leistung über Noten definiere, nicht gerecht, mahnte Largo. Jedes Kind wolle lesen und schreiben lernen, aber nicht jedes zur gleichen Zeit und auf die gleiche Weise. Genau das aber würden Noten voraussetzen. Erfolgserlebnisse hätten damit nur die Durchschnittlichen. „Die andern‘. seien entweder über- oder unterfordert. Nach einem Loblied auf die vielen guten Lehrer, die man doch bitte endlich mit Reformen von oben verschonen solle, kam Largo zu seinem Kernanliegen, der freien Schulwahl. Sein Modell: Jedes Kind erhält vom Staat einen Bildungsgutschein. Damit können Eltern, die beispielsweise keine Noten wollen, ihr Kind in eine Schule ohne Noten schicken.
Sich mit sich selber messen
Eine Umfrage im Saal ergab danach einigermassen überraschende Ergebnisse. Die Mehrheit der anwesenden Eltern hält zwar die Beziehung zwischen ihrem Kind und der Lehrperson für gut. Bei den Themen Förderung und Nachhaltigkeit des Lernens überwogen die negativen Meinungen aber deutlich. Das fachlich hochstehend besetzte Podium unter dcr Lcitung von Regula Späni war relaliv schncll wieder beim Thema Prüfungen und Noten. Schulpräsident Thomas Rüegg glaubt nicht, dass die Mehrheit der Eltern für eine Schule ohne Noten zu gewinnen ist. Er warb aber für mehr Toleranz gegenüber Leistungsunterschieden bei Kindern, und auch der St. Galler Erziehungswissenschafter Manfred Pfiffner bedauerte die grassierende Notengläubigkeit.
Gegensteuer kam von der Zürcher Publizistin Esther Girsberger. Kinder wollen sich messen, ist sie überzeugt. Unterstützt wurde sie von René Barth, Schulleiter der Oberstufe Weiden. „Schüler brauchen Prüfungen als Standortbestimmungen.“ Noten führten aber zu falschen Vergleichen, entgegnete darauf Erwin Beck, Rektor der Pädagogischen Hochschule St. Gallen. Schüler sollten sich nicht mit anderen messen, sondern mit sich selber. Wertvoll sind für ihn Noten, die den Einzelfortschritt abbilden. Selbst das geht Remo Largo allerdings noch zu weit. Für Ihn sind Noten gänzlich ungeeignet, etwas über die Begabung eines Kindes auszusagen.
Vera F. Birkenbihl bringt es auf den Punkt: https://www.youtube.com/watch?v=NYMia1P99qA&t
An den Waldorfschulen/Steinerschulen gibt es übrigens (zumindest in der Schweiz) nur auf speziellen Wunsch vor der 10. Klasse Noten. Es wird den Kindern weder Druck aufgesetzt noch muss jemand sitzen bleiben.