«Die freie Schulwahl ist eine Art Tabu»
Walter Herzog, Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Bern tritt in Ruhestand. Zuvor äussert er sich noch einmal zu Schule und Bildung. Im Interview für „Der Bund“ von Mireille Guggenbühler.
Auszüge aus dem Interview:
Kann man die Leistung von Lehrern wirklich nicht messen?
Man kann sicher feststellen, ob ein Lehrer gut oder schlecht ist. Aber nicht, indem man die Schülerleistungen als Massstab nimmt, sondern indem man beobachtet, wie er unterrichtet.
Sie haben sich auch mit den Tagesschulen befasst und ein Buch
dazu geschrieben. Entsprechen die
Tagesschulen im Kanton Bern
den Möglichkeiten, die diese hätten?
Das Problem ist, dass das, was im Kanton Bern, aber auch in anderen Kantonen als Tagesschule bezeichnet wird, eigentlich ein Betreuungsangebot ist. Das ist auch im Volksschulgesetz ausdrücklich so formuliert. Es ist natürlich wichtig, dass es solche Betreuungsangebote gibt. Dabei denkt man aber von den Eltern aus. Im pädagogischen Sinn wäre eine Tagesschule eine Schule, in welcher alle Schüler ganztags da sind und nicht nur punktuell nach den Bedürfnissen der Eltern. Der Vorteil einer pädagogischen Tagesschule besteht darin, dass man die Kinder gezielter fördern kann über den Unterricht hinaus. Und zwar schwächere wie speziell begabte Kinder.
Das würde bedeuten, in einer pädagogischen Tagesschule wären alle Kinder fünf Tage ganztags da?
Genau, und das bringt man politisch nicht durch. Meine Idee wäre daher, dass man in Städten wie Bern, Thun oder Biel, in welchen es mehrere Schulen gibt, in einem beschränkten Rahmen eine freie Schulwahl einführen würde.
Das ist aber sehr revolutionär.
Ich weiss, die freie Schulwahl stellt in der Schweiz eine Art Tabu dar. Ich meine aber nicht eine freie Schulwahl mit privaten Schulen und einem Bildungsmarkt, sondern eine freie Schulwahl zwischen öffentlichen Schulen. Eine davon könnte eine pädagogische Tagesschule sein.
Das vollständige Interview finden Sie hier.
Professor Walter Herzog
Walter Herzog (* 21. November 1949 in Winterthur) ist ein Schweizer Pädagoge. Herzog besuchte die Schulen in Wiesendangen und Winterthur. Danach studierte er Psychologie, Soziologie, Pädagogik und Philosophie an der Universität Zürich. Es folgten 1975 das Lizentiat und 1980 die Promotion. Ab 1976 war Herzog als Assistent und ab 1981 als Ständiger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pädagogischen Institut der Universität Zürich tätig, wo er 1984 ein Stipendium der Kommission zur Förderung des akademischen Nachwuchs erhielt. Die 1986 verliehene Venia legendi (Lehrbefugnis) umfasst das Fach Pädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Pädagogischen Psychologie. 1988 hatte er einen Studienaufenthalt am Institute of Human Development an der University of California, Berkeley. Herzog wurde 1989 Assistenzprofessor. Von 1991 bis 2014 war Herzog Ordinarius für Pädagogik, Pädagogische Psychologie, Didaktik und Schulforschung an der Universität Bern, wo er am 3. Dezember 2014 seine Abschiedsvorlesung mit dem Titel „Theorie und Praxis – eine Erkundung auf biografischem Pfade“ hielt. Quelle: Wikipedia
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