
Fallbeispiel 2: Wenn Schulbehörden auf stur schalten…
Fallbeispiel 2, Kanton ZH (Name der Elternlobby bekannt)
Leon Miltos (Name geändert) wurde 2002 geboren. Anfang 2006 wurde durch einen Zahnarzt eine Sprachbehinderung infolge einer praktisch immobilen Zunge festgestellt. Der Besuch eines Sprachheilkindergartens wurde erwogen, aber von der Schulbehörde abgelehnt. Nach einer Abklärung des schulpsychologischen Beratungsdienstes (SPD) des Bezirkes wurde er im Sommer 2007 in den Regelkindergarten eingeschult mit integrierter Sonderschulung.
- Juni 08: Eine Hörbeeinträchtigung wurde diagnostiziert und operativ behoben.
- Nov. 08: Der SPD empfahl auf Grund einer erneuten Abklärung eine Einschulung in einer Sonderschule für geistig behinderte Kinder. Nennen wir sie X.
- April 09: Die Förderlehrerin machte einen Einschulungstest und stellte fest, dass Leon normal begabt ist. Sie fand daher die empfohlene Massnahme als völlig verfehlt.
- Mai 09: Entscheid der Behörde: Zuweisung zur Schule X.
- Juni 09: Einsprache an Schulpflege wurde abgelehnt.
- Juni 09: Rekurs an Bezirksrat. Ablehnung (erst!) am 27. Juli 09.
- 8. Aug. 09: Beschwerde an Verwaltungsgericht: Ablehnung von vorsorglichen Massnahmen. Es empfahl aber die Prüfung von Alternativen.
- 17.8.09: Eintritt von Leon in eine Privatschule. Nach deren Konkurs privater Einzelunterricht durch deren Leiter, einem Heilpädagogen. Leon machte hier soweit Fortschritte, dass er dem Unterricht der Regelklasse folgen konnte.
- Okt. 09: Neutrales Zusatzgutachten durch eine Psychologin FSP bescheinigte dem Knaben eine durchschnittliche Begabung und empfahl aufgrund seines Sprachgebrechens eine Sprachheilschule. Eine solche gibt es an Ort, ebenso eine Einschulungsklasse, aber es hatte keinen Platz. Der Antrag des Anwaltes von Familie M., die Kosten für eine Einschulungsklasse in einer Nachbargemeinde zu übernehmen, wurde von der Wohngemeinde abgelehnt.
- März 10: Eine von der Schulpflege selbst in Auftrag gegebene Abklärung durch den Schulpsychologischen Dienst der Stadt Zürich hat ergeben, dass eine Schulung in der Schule X nicht angebracht ist und die Option der Integration im Vordergrund stehe. Da dies in der Wohngemeinde nicht möglich ist, zeigte sich die Schulpflege zunächst offen für eine Lösung in einer Nachbargemeinde. Umso überraschender kam dann die nicht näher begründete Absage der Schulpflege, in einem vorher vereinbarten Rundtischgespräch mit den beteiligten Personen eine geeignete Lösung zu finden.
Stattdessen beauftragte die Schulpflege erneut den SPD, der früher die Zuweisung zur Schule X empfahl, den Fall zu übernehmen. Nach einer neuen Abklärung kam der SPD zur Überzeugung, dass Leon normal begabt ist.
Nun endlich machte die Schulpflege den Weg frei für eine Schulung in der Regelschule des Wohnortes, nach dem sie die fundierten Stellungnahmen von vier unabhängigen Fachleuten in den Wind geschlagen hatte. Der Sinneswandel in der Schulpflege kam erst zustande, nachdem der Anwalt von Familie M. gedroht hatte, eine Anzeige an das Volksschulamt zu machen mit dem Ersuchen, aufsichts-rechtlich einzuschreiten. Leon besucht ab Sommer 2010 die zweite Klasse und erhält je 2 Stunden Sprach- und Heilpädagogikunterricht.
Fazit:
Das merkwürdige Gebaren dieser Schulpflege wirft folgende Fragen auf: Ging es ihr ums Prestige, indem sie nicht zugeben wollte, dass ihr früherer Entscheid falsch war? War für die Gemeinde die Beschulung in der Schule X wegen der Finanzierung durch die IV günstiger als bei anderen auswärtigen Schulen? Sicher ist jedenfalls: Es ging ihr nicht primär um eine den Bedürfnissen des Kindes entsprechende Schulbildung!
Nicht vergessen werden sollte nebst der psychischen Belastung von Kind und Eltern die hohen Folgekosten der sturen Haltung der Schulpflege: Kosten für 5(!) Abklärungen, 2 Rekurse, Anwalt, private Schulung. Diese Kosten gingen zulasten der Steuerzahler und der Familie M., als Sozialhilfeempfänger unterstützt durch gemeinnützige Organisationen.
PS. Pikantes Detail: Die Förderlehrerin, die sich für Leon einsetzte, weil die Zuweisung der Schulpflege ihrem pädagogischen Gewissen widersprach, wurde in einem Willkürakt des Schulpräsidenten fristlos entlassen! Kostenfolgen für die Gemeinde bzw. die Steuerzahler: Nachzahlung von 6 Monatslöhnen + Genugtuung.
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